Kundenservice paradox: „Aggressivität und Gewalt“ herrschen im Kontakt zwischen Unternehmen und Kunden weiterhin auf hohem Niveau. Der Knatsch und der Knies in dieser Beziehung nimmt sogar noch zu, lautet ein Ergebnis im „Kundenkonfliktmonitor 2014“ als Trend in der Dienstleistungsbranche. Die Auseinandersetzungen häuften sich insbesondere im telefonischen und persönlichen – na ja: – Dialog, stellt der Fachbereich Wirtschaft der Hochschule Darmstadt aktuell fest, nachdem er die Daten zum vierten Mal erhob. Der Befund insgesamt verursacht Kopfschütteln und Augenrollen, weil die befragten Firmen weiter Spiritus in lodernde Flammen schütten. Statt einen Spiritus im Sinne von einem Geist für Service zu entwickeln. Und statt mit beschwerdefreien Leistungen und Personalschulungen gegenzusteuern, schicken sie Anrufer offenbar lieber ins Warteschleifen-Nirvana und reden beruhigend auf ihre depressiven Service-Sklaven ein als wären es kranke Pferde. Wenn jeder zweite der 199 ausgefüllten Fragebogen prognostiziert, dass künftig noch mehr Ärger zu erwarten ist, dann darf hier fürs Schweigen (symbolisch fotografiert und stilisiert im Bild oben) kein Deckmäntelchen gereicht werden.
Für katastrophales Kundenmissmanagement versteht sich diese Chronik der Märkte, Marken und Medien nämlich auch wie ein Peitschenportal als Gegenpart für die Geißel der Wirtschaft (siehe rechte Spalte, „Über dieses Blog“), weshalb das Thema hier schon mehrfach zur Sprache kam. Besonders bemerkenswert in diesem Fall aus meiner Sicht: Die befragten Firmen befürchten , „dass die Qualität des Kundenservices hierdurch insgesamt leidet, weil Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunehmend verunsichert sind“. Wie bitte?! Als Konsequenz „meiden immer mehr Unternehmen den Kundenkontakt“ – 2014: 36,7 Prozent, 2012: 25 Prozent (ich glaube, ich lese nicht richtig!). Und was entwickeln die Firmen als Alternative? Sie „etablieren technische Maßnahmen zur Sicherung“ – hier stieg den Angaben zufolge die Beteiligung von 21,5 auf 32,7 Prozent (Warteschleifen und Menüführung gegen Kundengroll? – Hut ab!). Rückläufig sind dagegen die Schulungsmaßnahmen – die Angaben dazu sanken gegenüber der Umfrage vor zwei Jahren um satte acht Prozentpunkte auf nun 66,8 Prozent. Da sparen sie sicher an der richtigen Stelle. Technik statt Schulung scheint sinnvoll, denn damit zieht Entspannung ein anstelle von Ärger am Arbeitsplatz, denn wer will sich schon von der Aufregung anderer anstecken lassen, wie hier beim grundlos etwas aufgewühlten Anrufer im Media-Markt:
Immerhin zeigen sich die antwortenden Unternehmen „selbstkritisch“, konstatieren die Studienautoren: 55 Prozent der Befragten meinten zumindest, dass Fehlverhalten von Kundinnen und Kunden „gelegentlich auch auf Fehler des Unternehmens“ oder seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurückgeführt werden kann. Also doch nicht nur renitente Wutkonsumenten? Jedes dritte Unternehmen gibt inzwischen zu, dass Konfliktsituationen häufig auftreten. Eine deutliche Zunahme im Vergleich zu den früheren Erhebungen – 2012: 18,8 Prozent, 2008: 14,9 Prozent. Überdurchschnittlich betroffen sind – wen wundert’s? – die Branchengruppen „IT und Telekommunikation“ mit 50 Prozent und mit tollen Tricks der Kontaktabwehr, „Wohnung und Immobilien“ mit 43,8 Prozent und mit Zahlungsforderungen schon für die Mietobjekt-Besichtigung (wie ich jüngst im Einslive-Radio hörte) sowie – und nun stöhnen vermutlich alle in der Leserschaft auf –„Ämter und Behörden“ mit 42,6 Prozent und dem niemals vergessenen „Formblatt P35-7G12“, das Sie hoffentlich stets bei sich tragen, denn sonst müssten Sie sich wieder ganz hinten in der Schlange anstellen.
Kundenservice vom Weilchen im Wartezimmer
bis zum Kännchen für draußen
Neben den genannten Branchengruppen wurden kontaktiert: Unternehmen aus den gefürchteten Servicewüsten für Finanzdienstleistungen (Warnung, höre ich noch einen Banker sagen dieses und jenes sei „nicht darstellbar“), für Gesundheits- und Sozialwesen, Wohlfahrt („Dann nehmen Sie doch noch ein Weilchen im Wartezimmer platz“), für Groß- und Einzelhandel („Wenn’s da hinten nicht im Regal liegt, dann haben wir’s nicht mehr“), für Handwerk und sonstige Dienstleistungen („Oh, das wird teuer!“), für Luftfahrt, Verkehr und Transport („Verzögerungen im Betriebsablauf“), für Tourismus und Gastronomie („Kännchen gibt’s nur draußen“), für Versandhandel („…zurück im Hauptmenü. Drücken Sie die Eins…“) und für den vielfach noch monopolistischen Anbietermarkt der Versorgung mit Energie und Strom („Daher ist eine moderate Preisanpassung notwendig geworden“). Apropos: Letztgenannter will Beschwerden auch künftig noch nicht mit Stromschlägen ahnden. Puh, Glück gehabt.
Der Beitrag Spiritus Service: Mit Kunden im Klinsch erschien zuerst auf Garbers Gazette.